Samstag, 12. Juni 2010

Cuzco: Gegensätze am Strassenrand


Für einmal war unsere Etappe von Puno nach Cuzco eher geprägt von Begegnungen mit Leuten - Einheimischen wie anderen Reisenden - statt von spektakulären Landschaften.

Der Austausch mit anderen Reisenden ist jeweils sehr unterschiedlich. An unserem ersten Tag nach Puno kreuzten wir zwei Toureros und Martin, ein Brite der seit bald vier Jahren von Mexiko zu Fuss unterwegs ist. Mit dem ersten Tourero plauderten wir sicher länger als eine halbe Stunde über die unterschiedlichsten Dinge (Reise, Route, Hostels, Velos, Begegnungen, Erlebnisse etc.), beim zweiten gabs nur einen kurzen, trockenen Austausch über Start und Ziel der Reise und schon verabschiedete sich der ältere deutsche Herr wieder von uns...
Der Austausch mit Martin war alleine durch seine spezielle Reiseweise interessanter. Er beklagte sich, dass er die Leute in dieser Region eher unfreundlich oder gar feindlich erlebe. Bis auf ein paar einzelne von uns als weniger herzlich empfundene Gringo-Nachrufe konnten wir sein Empfinden (noch) nicht verstehen. Meistens grüssen nämlich die Leute auch in Peru freundlich oder gar herzlich.

Trotz der immer dichteren Besiedlung gelang es uns jeweils, ein einigermassen geschütztes resp. abseits liegendes Zeltplätzchen zu finden. An einem Übernachtungsplatz bekamen wir gar einen peruanischen Güterzug geschenkt :-)

Mit dem Pass Abra la Raya (4340 M.ü.M) liessen wir den Altiplano definitiv hinter uns. Es stand eine lange Abfahrt bis auf 3100 M.ü.M. bevor.

Wir konnten wie geplant bei den Thermas mit dem Allerweltsnamen "Aguas Calientes" übernachten. Zwar erschraken wir bei Ankuft ab dem sonntäglichen Trubel dort. Vor dem Eingang hatten sich jenste Indigenas mit ihren Verkaufsständen installiert, die Pools waren voll und alles sah sehr organisiert aus. Zu unserem Erstaunen durften wir unser Zelt ein paar Meter neben einem Warmwasserbecken aufstellen und zahlten dafür gerade mal umgerechnete vier Franken. Doch schon bald verliessen die Massen "unseren" Zeltplatz.
Das Wasser wird von den auf dem Gelände befindenden Heisswasserquellen gefasst und in Kanälen zu den Becken geleitet. Auch neben den gefassten Quellen blubberte stellenweise heisses Wasser und wir erinnerten uns zurück an das Geysirfeld Sol de Manana auf der Lagunenroute.

Da wir kein passendes Frühstück dabei hatten, wollten wir dieses im dazugehörenden Restaurant einnehmen. Nach kurzem Überlegen entschieden wir uns mangels Alternativen für eine frittierte Forelle und ein frittiertes Poulet mit Beilagen. Die Angelegenheit war (auch geschmacklich) ziemlich fettig, dafür hatten wir genügend Energie für die nächsten Kilometer abwärts...

Die Landschaft wurde immer fruchtbarer und überall sahen wir bewirtschaftete Felder. Terassen scheinen hier weniger genutzt zu werden, stattdessen werden erstaunlich schräge Äcker bis hoch die Hänge hinauf angelegt. Keine Ahnung, wie lange der (Fuss)Weg zu einem der obersten in Anspruch nimmt und wieviel Zeit für Feldarbeiten übrig bleibt.

In Raqchi wollten wir die Ruinen des Inkatempels Wiracocha besuchen. Auf der Plaza fand gerade ein Folklore-Tanzwettbewerb statt. Die unterschiedlichen Trachten und Tänze waren eine spannende Überraschung, die uns länger verweilen liess.


Die anschliessende Besichtigung der Ruinen war zwar nicht uninteressant, aber mangels Informationen wenig lehrreich. Wir konnten nur raten, wozu die Säulen, die systematisch angeordneten rechteckigen und runden Bauten gedient haben könnten.


Die "lange Abfahrt" zog sich dahin und teilweise war nicht viel von einer Abfahrt auszumachen. Hinzu kam, dass wir bis Cuzco immer öfters an Martin und die "feindlich gesinnte" Bevölkerung erinnert wurden. Oft werden wir wortlos angestarrt. Einige Male mussten wir uns unfreundliche Nachrufe gefallen lassen, ein ander Mal beschimpfte uns eine Frau von einem Acker am Wegrand (wir konnten nur den Gesichtsausdruck und das Verwerfen der Hände interpretieren, verstanden haben wir nichts) und noch ein ander Mal drohte ein Junge uns mit einem Stein zu bewerfen. Wir haben zwar auch Steine an Board, doch sind diese für die - bisher wirkungsvolle - Abwehr von bissigen Hunden gedacht, nicht für freche Kinder...
Diese Erlebnisse trugen dazu bei, dass uns beim wild campen manchmal ein ungutes Gefühl beschlich und wir bessere Verstecke aussuchten.

In den Dörfern leben praktisch nur Indigenas, wir hatten jedenfalls niemanden europäischer Abstammung gesehen. So fallen wir hier nicht nur durch unsere Art des Reisens auf, sondern auch durch unser Aussehen. Zudem steht unsere Hightech-Ausrüstung in starkem Kontrast zu den rudimentären Methoden, mit denen hier noch Landwirtschaft betrieben wird. Wenn wir zusehen, wie zwei Leute mit einfachen Hacken einen Acker pflügen, das Korn mit kleinen Handsicheln mähen, das ausgelegte Korn mit über das Getreide stampfenden Eseln oder Pferden dreschen und anschliessend mittels "in die Luft werfen" das Korn von der Spreu trennen, fühlen wir uns um Jahrhunderte zurück versetzt. Ob dieser Zeitsprung mit ein Grund ist für die unfreundliche Behandlung am Strassenrand?


Glücklicherweise gibt es aber auch viele freundliche Leute unterwegs (welche leider die negativen Erfahrungen trotz Überzahl nur teilweise wett machen können). So erklärte uns ein Souvenirverkäufer an den abgelegenen Mauerruinen von Rumicolca vieles über die Geschichte dieses früheren Eingangstors zum Inkareich. Wir realisierten, dass die geplanten Ruinenbesuche im heiligen Tal der Inka oder Machu Picchu ohne fachkundige Führung wenig Sinn machen würden.

In Cuzco war leider unser favorisiertes, von einem anderen Radlerpaar empfohlenes, Hostel ausgebucht. So machten wir uns auf die Suche nach einer valablen Alternative. Für einmal nahmen wir uns etwas mehr Zeit und klapperten diverse Hostels ab. Das als geeignet empfundene stellte sich - bedingt durch die zwei im voraus bezahlten Nächte - als Falle heraus: Mit der schwächer werdenden Sonne und dem fehlenden Glas bei einem Fenster war es unangenehm kühl, zum Gebrauch der versprochenen Küche hätten wir zuerst für den Preis einer weiteren Nacht Gas kaufen müssen, das Bett war schmuddelig und als wir uns nach drei Tagen ohne Waschen mal wieder duschen wollten kam nur kalt Wasser... Das war uns zuviel und wir wechselten das Hostel nach kaum einer Stunde. Schliesslich sehnten wir uns nach einer Oase, um uns nach dieser eher streng erlebten Etappe gemütlich ausruhen zu können.
Für die Rückzahlung der bereits bezahlten Nächte wurden wir dreimal vertröstet, dass der Kassier gerade nicht da sei. Beim vierten Besuch erklärte uns der Kassier, dass Peru (im Gegensatz zu unserem Herkunftsland) ein Rechtsstaat und ein Vertrag ein Vertrag sei. Wenn wir etwas wollten, sollten wir nochmals mit der Polizei kommen...
Das machten wir auch. Der nette Beamte versuchte eine Einigung herbei zu führen, scheiterte aber auch an der "Unmöglichkeit" der Stornierung der Zahlung. Wir hätten höchstens noch eine Anklage erheben können, was wir wegen des geringen Betrages und des riesigen Aufwandes bleiben liessen.

Nun befinden wir uns in einem guten Hostel wo wir uns erholen und auf das nächste Highlight - Machu Picchu - vorbereiten können. Dazu und auch für andere Sehenswürdigkeiten im Heiligen Tal der Inka werden wir voraussichtlich geführte Touren buchen, da wir nur so ausreichend Hintergrundinformationen zu diesen historischen Orten erhalten.

Somit waren dies wohl die letzten "richtigen" Velokilometer und dies das letzte Zeltplätzchen unserer grossen Reise (gleich hinter den Büschen verläuft die Strasse):


Liebe Grüsse
Marlis & Matthias

2 Kommentare:

Gabriel hat gesagt…

Ihr lieben Reisenden,

hm... dieser Stimmungswechsel am Strassenrand überrascht - gut, dass ihr schnelle Velos habt und Velohelme trägt! Da hatte es der wandernde Martin sicher ungemütlicher, wenn er mal in einer blöden Situation drin war. Ich frage mich aber, ob er auch so lange Wüstenstrecken durchwandert, wie ihr durchradelt?

Liebe Grüsse aus der von Aprilwetter dominierten Schweiz, die gerade Spanien in Südafrika fussballerisch bezwungen hat! :)

Gabriel

Monika hat gesagt…

Hoi zäme

Da habt ihr für die Strecke La Paz - Cusco interessanteres zu berichten als wir, die mit dem Bus durchgerast sind.

Zu den Begegnungen am Wegrand: Kann schon sein, dass der "Zeitsprung", den ihr erwähnt mit ein Grund für Unfreundlichkeit ist, eine wirkliche Erklärung ist er aber nicht. In Bolivien leben und arbeiten die Leute ja unter genau gleichen Bedingungen, zwischen Potosí und La Paz konnten wir diese archaischen Methoden oft genug beobachten. Unfreundliche Begegnungen gab es trotzdem keine einzige. Eure Erfahrungen bestätigen aber die Berichte vieler Veloreisender, Peruaner mögen Gringos einfach oft nicht.

Bis heute Abend und liebi Grüess
Monika