Mittwoch, 26. Mai 2010

La Paz: Stahlesel-Mountainbiking und ein paar Tage (Zwangs)Pause

Den Aufenthalt in Uyuni gestalteten wir kurz. Einerseits entsprach das Hostel nicht unseren Ansprüchen (es war kühl, die Heizung funktionierte nur teilweise und warm Duschen konnten wir nur am ersten Tag). Andererseits hat Uyuni touristisch ausser dem Salar nur noch einen Eisenbahnfriedhof zu bieten. Trotz Kälte und starkem Wind liessen wir uns diesen speziellen Ort nicht entgehen. Uralte, verrostete und mehr oder weniger verfallende Wagen und Loks stehen hier rum. Ein faszinierender Platz!

Zudem ist Uyuni ein ziemlich hässliches Wüstenkaff, das ohne die beiden Attraktionen kaum einen Touristen interessieren würde. Am schlimmsten ist es gleich ausserhalb der Stadt: Überall liegen oder fliegen Plastiksäcke und sonstiger vom Wind verwehter Abfall herum. So hässlich hatten wir es bisher nicht einmal annähernd getroffen!

Die nächtliche, 10stündige Busfahrt nach La Paz war anfangs extrem holperig und wir irgendwie erleichtert, dieses Wellblech nicht mit unseren Fahrrädern abholpern zu müssen. Trotzdem, die Räder litten und beide brachen sich dieselbe Schutzblechhalterung :-(
Wir litten etwas weniger: Mit einem Paar kalter Füsse und etwas wenig Schlaf kamen wir in La Paz an.

La Paz (1,5 Mio. Ew., Regierungssitz und dennoch nicht Hauptstadt Boliviens) ist - entgegen Matthias' Befürchtungen - eine geniale, einzigartig gebaute Stadt, die wir sofort ins Herz geschlossen haben. Sie liegt in einem steilen Flusstal und die Häuser klettern auf beiden Seiten die Hänge hoch. Dementsprechend steil sind auch all die Wege, welche von der Hauptstrasse rechts oder links abbiegen. Der tiefste Punkt ist auf 3000, der höchste auf 4200 M.ü.M. La Paz ist eine sehr geschäftige und lebendige Stadt.


Wir haben ein gemütliches Hostel im Zentrum gefunden. Von unserem Zimmer aus haben wir wunderbare Aussicht auf die Strasse, wo es so manch spannende Szene zu beobachten gibt. Eine farbenfrohe, musizierende Hochzeitsgesellschaft, ein Trauerzug, ein Polizist der einen Beifahrer bei den Ohren nimmt oder einfach die sich gegenseitig zu übertönen versuchenden Taxibeifahrer, welche ihre Destination und Preis raus schreien. Auf den Strassen wimmelt es nur so von verschiedenen Taxis, Privatautos kann man an einer Hand abzählen.
Hier in der Stadt gibt es sogar freilaufende Zebras und Esel - jedoch eine uns bisher unbekannte Gattung von Zweibeinern. Sie machen ihren Job echt super. Die Zebras helfen einem lebendig die Strasse zu überqueren, die Esel schelten Ungehorsame... Wir sind mittendrin in einer für uns ganz neuen und durchaus sympathischen Kultur.

In der Umgebung unseres Hostels gibt es anstelle von Super- oder Minimercados unzählige Marktstände. So müssen wir jeweils unsere Einkäufe an den unterschiedlichsten Ständen zusammensuchen. Anfangs ist dies etwas mühsam, doch mit der Zeit haben wir daran sogar gefallen gefunden. Indigene Frauen (Cholitas) und Männer bieten ihre Waren feil. Ab und zu erwischt man den einen oder anderen Standbetreuer bei einem Nickerchen, was durchaus verständlich ist. Wunderbar gestapelte Früchte warten nur darauf, als feinen Jugo (Saft) verkauft werden zu können. Riesige Körbe mit fein duftendem Brot, überdimensionale Teigwaren wie wir sie noch nie gesehen haben und zig kleine Kioske mit Süssigkeiten säumen die Strasse. Meist sind dieselben Artikel in einer Gasse zu finden, was es erleichtert, das zu finden das man braucht (wenn man die entsprechende Gasse gefunden hat).
Vermummte Schuhputzer bieten am Boden sitzend ihre Dienste an, der Glaceverkäufer kurvt mit seinem Handwagen durch die Gassen und in den Bratpfannen jedes dritten Standes brutzeln im schwimmenden Fett Hamburger und Zwiebeln. Das Essen hier ist sehr fettig. Zudem scheinen Pollos (Poulets) und Pommes Frites sehr im Trend zu sein und es ist schwierig, etwas gesundes zu finden. Die Restaurants sind zu einem Grossteil im Stil von Mc Donalds.

Auf dem Mercado de Hechiceria (Hexenmarkt) findet man getrocknete Lamaföten, teilweise sogar auch mit Fell. Diverse Kräuter, Heilmittel und mystische Figuren irgendwelcher Inkagötter zieren hier die Marktstände.
Das traditionelle Handwerk scheinen aber die farbenfrohen gewobenen oder gestrickten Kleider und Decken zu sein.

Nach einem ersten Ruhetag gönnten wir uns mit einem Tagesausflug eine 3400 Meter Abfahrt per "Mountainbike" auf dem "Camino de la Muerte". Da wir ja ein eigenes Velo hatten, verzichteten wir auf den Luxus eines gemieteten Mountainbikes. Oh Schmerz! Wir hatten bisher übelste Schotterpisten mit unseren Stahleseln gemeistert und nie Probleme damit. Doch das schnelle Fahren in einer Gruppe von Mountainbikern hatten wir unterschätzt. Nach gut zwei Stunden schottrigem Downhill schmerzten uns die Arme dermassen, dass wir froh waren, am Ziel das Velo wieder zu verladen und die Arme erholen zu lassen. Ansonsten genossen wir - nach über einem Monat andiner Landschaften - für einen Tag den Wechsel in den tropischen Regenwald.

Zurück in La Paz freuten wir uns auf einen weiteren Ruhetag, an dem wir uns auf die nächste Etappe zum Titicacasee vorbeiten wollten. Doch aus diesem einen Ruhetag wurden noch ein paar weitere. Grosse Müdigkeit und ein tendenziell erhöhter Ruhepuls von Marlis hielten uns davon ab, sofort weiter zu fahren. Diverse Abklärungen brachten uns nicht weiter. Erst ein Besuch beim Vertrauensarzt eines Hostelangestellten gab uns Erleichterung, so dass wir uns nun wieder auf unsere Sättel schwingen und Richtung Titicacasee fahren.

Liebe Grüsse
Marlis & Matthias

Dienstag, 18. Mai 2010

Lagunenroute: Ruta de las Joyas altoandinas oder ein mühsames Andenabenteuer?

Wenn man Berichte anderer Lagunenrouten-Radreisender liest, könnte einem Angesichts all der genannten Strapazen die Lust an dieser Route vergehen. Es wird berichtet von:
  • extremer Kälte in der Nacht (bis zu unter -20 Grad).
  • extrem schlechten Wegen, die teilweise nur mit Schieben bewältigt werden können.
  • anspruchsvoller Navigation mangels zuverlässigem Kartenmaterial, fehlenden Wegweisern und unterschiedlichster Spuren.
  • starken Winden, die jeglichen Fahrspass sandstrahlen und damit abtöten.
  • spontanem Schneefall, der eine Weiterfahrt für einen oder mehrere Tage verunmöglicht.
  • knappem Wasser, das nur an wenigen Stellen aufgefüllt werden kann und für mehrere Tage reichen muss.
Auch wir haben uns mehrmals überlegt, ob wir uns in dieses Abenteuer stürzen wollen. Glücklicherweise treten in der Regel nicht alle genannten Strapazen gleichzeitig auf. Zudem können sie mit entsprechender Vorbereitung besser überwunden werden. Und so kam es, dass wir diese Herausforderung mit Spannung annahmen...

Tag 1: Der lange Aufstieg
(34km, 1400 Hm, Übernachtung auf 3920 M.ü.M)

Die ersten 40 km nach San Pedro de Atacama sind noch geteert, dafür sind bis auf 4600 M.ü.M. 2100 Höhenmeter zu überwinden. Da wir diese Strecke bei unserer Jama-Überquerung bereits herunter gefahren waren und die Strecke bis auf die Steigung nichts besonderes ist, versuchen wir es mit "stöpplen". Leider ohne Erfolg: Die ungefähr fünf uns überholenden Fahrzeuge haben alle keinen Platz für unsere zwei Velos. So nutzen wir den Aufstieg, uns auf die kommende Route einzustimmen.

Bei Kilometer 30 und auf 3900 M.ü.M haben wir unser Eventualtagesziel erreicht und es ist Zeit zum zelten. Zu unserer Freude treffen wir Moni und Flo, zwei andere Schweizer Toureros, die wir bereits früher getroffen hatten und die soeben ihre Jama-Überquerung abschliessen. Sie zelten am selben Ort wie wir und so können wir am Abend noch etwas Radlerlatein austauschen.

Tag 2: Ankunft in Bolivien
(23+18 km, 700 Hm, 4350 M.ü.M)

Die noch fehlenden 700 Höhenmeter bringen wir ausgeruht und neu gestärkt ohne weitere Probleme hinter uns. Doch dann ist der Teer für uns zu Ende und die Piste nach Bolivien verschneit.

Die ersten Meter Schnee können wir schiebend überwinden. Später führt uns eine gut fahrbare Spur neben der offiziellen, voll verschneiten Piste, Richtung Grenze.
Der Empfang durch den Grenzbeamten mit Handschlag ist überraschend herzlich. Nach kurzem Austausch fahren wir auf unterdessen schneefreier Piste weiter zu unserem zweiten Übernachtungsplatz, dem Refugio Laguna Blanca.

Dank der frühen Ankunft ist es uns möglich, die erste Sehenswürdigkeit der Lagunenroute ohne Gepäck zu besuchen. Der Weg zur Laguna Verde ist vielspurig und teilweise so versandet, dass wir sogar mit unseren unbepackten Velos Mühe haben durchzukommen.

Die Lagune haut uns nicht gerade vom Sattel und wir sind gespannt, was uns an den anderen hochgelobten Lagunen erwarten wird.

Trotzdem zufrieden mit diesem erfüllten Tag schlüpfen wir in unserem ungeheizten Zimmer in unsere Schlafsäcke.

Tag 3: Sternenhimmel bei 35 Grad
(43 km , 400 Hm, 4420 M.ü.M)

Bei sage und schreibe 2 Grad im Zimmer quälen wir uns aus unseren warmen Schlafsäcken. Um trotz der Kälte in Fahrt zu kommen, gibts eine ordentliche Portion Pasta zum Frühstück. Warm eingepackt schwingen wir uns bei -5 Grad auf unsere Sättel. Es ist ein Prachtstag ohne Wind und wir sind erstaunt, wie die Sonne bereits angenehm wärmt.

Gemächlich geht es voran, einerseits weil wir die geniale, für uns neue Landschaft Boliviens in vollen Zügen geniessen, andererseits sorgt der sandige Untergrund für eine einstellige Geschwindigkeit.

Bereits um 15 Uhr erreichen wir unser Tagesziel, die Termas Polques. Oje, wir kommen von er genialen Natur mitten in den Touristenrummel. So versuchen wir erst mal unsere Enttäuschung zurück zu stellen und widmen uns der Frage wo wir übernachten sollen. Der witzige Inhaber des kleinen Restaurantes nennt uns Amigo und bietet uns ein Zimmer an wo wir schlafen können, "muy barato" (sehr billig) und bezahlen "mañana" (morgen). Das Angebot tönt verlockend und wir willigen ein. Die Frage, ob das "Amigo, muy barato, pagar mañana" nun bolivianische Freundlichkeit oder schon das erste übers-Ohr gehauen-werden-Erlebnis werden wird, beschäftigt uns noch ein wenig. Zu unserer Freude fahren die letzten Touristenjeeps bereits um 17 Uhr ab und wir haben den Pool zum Sonnenuntergang für uns alleine!

Später geniessen wir ein zweites Mal den 35 Grad warmen Pool bei klarem Sternenhimmel. Wir sind begeistert, wie privilegiert wir als Radreisende abseits der Touristenmassen immer wieder sind.

Tag 4: Mountain-Biking im Schnee zum dampfenden Sol de Mañana
(23 km, 500 Hm, 4875 M.ü.M)

Bereits ab 5 Uhr beginnt es neben unserem Schlafraum zu rumoren. Vorbereitungen für die erwarteten Jeep-Touristen werden getroffen. So packen wir - gerade noch rechtzeitig vor den ersten Jeeps - die Gelegenheit zu einem weiteren gemütlichen warmen Morgenbad zu zweit - welch ein Genuss! Etwas abseits, und doch mit guter Sicht auf das Geschehen, kochen wir unsere Frühstücks-Pasta und beobachten, wie innert kürzester Zeit bis zu 20 Jeeps anbrausen und sich "unser" Pool füllt und füllt.
Bevor wir uns an diesem sonnigen Tag auf unsere Räder schwingen, haben wir bei unserem Amigo noch die Rechnung zu begleichen. Knappe 7 Franken verlangt er für zwei Übernachtungen, zwei Nachtessen und ein Bier. Unsere anfänglichen Bedenken und das damit verbundene Misstrauen beschämt uns. Wir sind daher umso dankbarer für dieses positive, schöne Erlebnis.
Mit 17 Liter Wasser vollgetankt, nehmen wir den heutigen Aufstieg auf 4900 M.ü.M in Angriff.

Obwohl der gegen uns blasende Wind schon schlimmer war, raubt er uns zusätzlich Energie, Wärme und Atemluft. Die Piste ist ohnehin schon anspruchsvoll mit Sand, vielen Steinen, Schneepassagen und Matsch.

Da für uns aber alles fahrbar ist, geniessen wir diese Herausforderung, welche uns einmal mehr durch eine super-schöne andine Landschaft mit ihren Lagunen, Salzseen und Schneebergen führt. Je höher wir uns befinden, desto mehr dreht der Wind auf.
Die an uns vorbeibrausenden, uns einnebelnden Jeeps mit ihren Touristen, welchen wir immer wieder einmal als Fotosujet dienen, haben diesmal sogar etwas Positives an sich. Sie weisen uns nämlich den Weg zu einem weiteren Highlight unserer Lagunenroute, dem Sol de Mañana, das sich etwas abseits der Hauptpiste befindet. Anscheinend soll es das höchstgelegene Geysirenfeld der Welt sein. Eine strenge Sandpiste führt uns zu dieser rauchigen, faszinierenden Ebene hinab.

Wow, so etwas haben wir noch nie gesehen! Kurzum beschliessen wir - mit sicherem Abstand - hier unser Nachtlager aufzuschlagen. So haben wir genügend Zeit um dieses Schauspiel zu geniessen. Mit der Kamera bewaffnet, erkunden wir die farbigen Löcher aus welchen mit "gfürchigem" Gefauche stinkender Rauch hervor quillt.

Was die Natur alles zu bieten hat ist einfach umwerfend. In einigen Kratern brodelt es wild, andere dampfen nur vor sich hin. Es ist eine mystische, vulkanische Landschaft mit besonderem Reiz.

Tag 5: Schotter, Schnee und eine rote Lagune
(42km, 100 Hm, 4330 M.ü.M)

Vor dem Frühstück gönnen wir uns nochmals die Geysire aus nächster Nähe. Diese sollen am frühen Morgen am aktivsten sein. Unsere Hoffnung, richtige Geysirfontänen zu sehen, wird leider nicht erfüllt. In den Löchern brodelt es in etwa gleich wie am Vorabend. Doch in der kühlen Morgentemperatur (-4 Grad) dampfen die Geysire intensiver und zusammen mit der aufgehenden Sonne scheint hier der ganze Boden zu rauchen.

Kurz nach unserer Abfahrt erreichen wir den höchsten Punkt unserer Reise: 4930 M.ü.M! Auf ein "Gipfelfoto" verzichten wir, da kein eindeutiger "Gipfel" zu erkennen ist und es uns zu kalt und windig ist.
Die erhoffte Abfahrt lässt noch etwas auf sich warten. Stattdessen müssen wir wegen komplett zugeschneiter Piste einer Jeep-Spur über ein Gröllfeld folgen. Solch üblen Schotter hatten wir noch nie unter unseren Rädern! Trotzdem, wir können fahren. Der nächste Pistenabschnitt ist - vermutlich wegen der Minenlastwagen - gesäubert, aber mit hartem Schnee überzogen. Wir staunen, dass unsere Pneus auch auf diesem Untergrund zuverlässig greifen und uns nicht im Stich lassen (wir würden nicht mehr ohne unsere Marathon XR 2.0 von Schwalbe auf Tour gehen!).

Später entdecken wir unser Tagesziel, die Laguna Colorada. Diese heisst so, weil sie sich bei Wind rot verfärbt. Wir hatten Wind und somit auch die rote Lagune :)

Leider führt die Hauptpiste mit ziemlichem Abstand an der Lagune vorbei. Wir entschieden uns einmal mehr, den Jeeps zu einem Hügel an der Lagune zu folgen. Dieser in unserem Bikeführer nicht erwähnte Abstecher lohnte sich! Wir erhielten einen herrlichen Ausblick über die malerische Lagune mit ihrer roten Farbe, den weissen Salzformationen, im Wasser staksenden Flamingos und sich am Ufer labenden Lamas.


Die Zeit rückt schnell vor und so müssen wir uns beeilen, um noch bei Tageslicht zu unserem Refugio zu gelangen. Trotz abschlägiger Antwort auf unsere Frage, ob wir etwas zu essen kaufen könnten, erhalten wir später zu unserer Überraschung eine richtige bolivianische Suppe serviert. Genau was wir brauchen, denn wir wollen gerade selber eine Suppe in die Pfanne hauen...

Tag 6: Fragwürdige Informationen zum Pistenzustand
(50 km, 500 Hm, 4620 M.ü.M)

Heute starten wir mit gemischten Gefühlen, denn uns steht eine der härteren Etappen bevor: In der siloischen Wüste soll es gemäss Bike-Führer und anderen Reiseberichten keine Piste mehr geben, sondern nur unterschiedlichste Jeep-Spuren auf sandigem Untergrund. Zusätzlich erhielten wir am Vortag von einem Jeep-Fahrer die Information, dass die ganze Ebene voll Schnee sei und daher mit dem Velo kaum überquert werden könne. Wir wagen es trotzdem...
Wir fahren und fahren und finden weder Schnee noch die berüchtigten Jeep-Spuren. Wir geniessen einfach die Fahrt auf guter Piste durch eine braune Kies- und Schotterwüste.
Touristisches Highlight sollte der Arbol de Piedra (Baum aus Stein) sein. Der ist so wichtig, dass er sogar eingezäunt wurde - die einzige abgesperrte Sehenswürdigkeit auf unserer ganzen Route! Uns scheint das Theater um diese Steinformation etwas übertrieben. Trotzdem schiessen wir das obligate Foto und setzen unsere Fahrt fort.

Nach einem Felsplateau, von dem wir uns beinahe für ein frühes, windstilles Nachtlager verleiten lassen, finden wir zu unserer Überraschung keine eindeutige Piste mehr (die schlechten Pisten hätten wir im vorherigen Abschnitt finden sollen!). Die sich vor uns befindende Sand-Ebene ist von duzenden mehr oder weniger parallel verlaufenden Jeep-Spuren übersäht.

Wir versuchen diverse dieser Spuren, doch keine überzeugt restlos als Radspur. Wenigstens müssen wir nicht schieben und auch die Richtung stimmt einigermassen. Wir treffen am Ende der Ebene zwar nicht wie erwartet wieder auf eine gute Piste, sondern können zwischen drei Spuren wählen, wobei nur eine schneefrei ist.
Einerseits erleichtert, dass die schwierige Etappe ausgeblieben war, andererseits erstaunt über die unzutreffenden Informationen zu diesem Abschnitt, stellen wir kurz vor dem Eindunkeln (18 Uhr) unser Zelt neben der Piste auf.

Tag 7: Von Lagune zu Lagune
(43 km, 100 Hm, 4150 M.ü.M)

Wir verbringen eine autofreie Nacht und zu unserem Erstaunen bleiben auch die morgendlichen Jeep-Karavanen aus. Gleichzeitig verunsichert uns dies ein wenig, was die Richtigkeit unserer gewählten Route anbelangt. Dennoch bestreiten wir mutig den am Vortag begonnenen Aufstieg über die sehr wellige und sandige Piste, bis wir vor uns eine 24km lange flache Abfahrt erblicken. Auch hier zeigt sich uns eine Sandfläche mit diversen Jeepspuren und das Suchspiel nach einem fahrbaren Untergrund geht erfolgreich ohne zu schieben weiter.

Entlang an den malerischen Lagunen Ramadita, Honda und Chiarcota ist wieder eine Hauptpiste erkennbar. Ekligstes Wellblech lässt uns die Schönheit und Faszination jeder einzelnen Lagune wie beim Rodeo erleben. Das Ziel ist festhalten und sich nicht von der bockigen Piste werfen zu lassen. Welche Lagune den ersten Preis gewinnt, können wir nicht sagen. Jede hat ihren eigenen Reiz.



Gut durchgeschüttelt geniessen wir im Restaurant bei der Laguna Hedionda gleich zwei Teller heisse Suppe. Hier heisst es Wasser auffüllen für die kommenden 100 km. Weil sich die Süsswasserquelle auf der anderen Seite der Lagune befindet, wo anscheinend auch die Restaurantbesitzer das Trinkwasser holen müssen, kaufen wir uns einige Wasserflaschen und füllen den Wassersack zum Kochen mit dem leicht salzhaltigen Lagunenwasser. Bei Sonnenschein und leichtem Rückenwind radeln wir mit 30 Liter Wasser (sollte für 3 Tage/2 Biwaks reichen) beladen weiter zur idyllischen Lagune Coñapa, welche wir zu unserem Übernachtungsplatz auswählen. Wir geniessen die geniale Aussicht auf die verschneiten Anden und beobachten die Flamingos bei ihrer Nahrungssuche in der Lagune.


Tag 8: Von einer guten Strasse fehl geleitet
(34+10 km, 300 Hm, 4130 M.ü.M)

Wir staunen nicht schlecht, als wir beim Erwachen nicht wie gewohnt ein gelbes, sondern ein weisses Innenzelt entdecken und auch unsere Schlafsäcke mit Eiskristallen bedeckt sind. Irgendwie haben wir auf den Moment gewartet, bis auch wir in den "Genuss" zweistelliger Minustemperaturen (-12 Grad) kommen. Glücklicherweise haben wir uns darauf vorbereitet, so dass auch die im Innenzelt aufbewahrten gefrorenen Wasserflaschen keine negativen Auswirkungen auf uns haben. Zusammen mit Wasserflaschen im Schlafsack zu sein ist zwar nicht unbedingt angenehm und wärmend, je nachdem aber eben doch eine sinnvolle Variante...
Die Sonne wärmt bereits um 8 Uhr und der Wind scheint brav zu schlafen. Energiegeladen mit Pasta, nehmen wir eine weitere andine holprige Bikestrecke unter die Räder. Einziger Wehrmutstropfen ist, dass wir anstelle eines vollgefederten Mountainbikes ungefederte, vollbeladene Tourenräder unter dem Füdli haben. Ein wahrer Genuss für uns.

Nach einem kurzen Downhill finden wir uns auf einer gut präparierten Strasse wieder. Diese lässt uns wieder einmal mit zweistelliger Geschwindigkeit vorankommen und das geniessen wir sehr! In einiger Entfernung vor uns raucht der aktive Vulkan Ollagüe bescheiden vor sich hin.

Glücklich über die rasant ansteigende Kilometerzahl entfernen wir uns immer mehr vom GPS Track. Das Navigieren mit unseren sehr ungenauen und sehr unterschiedlichen Karten dieser Region und den Beschreibungen in unserem Bikeführer, welche nicht (mehr) mit den vorgefundenen Pisten übereinstimmen ist hier sehr anspruchsvoll und schwierig. Schlussendlich entscheiden wir uns - etwas weniger gut gelaunt und motiviert als noch vor kurzem - nach 5 km umzudrehen um wieder dem GPS Track zu folgen. Die Missstimmung verflüchtigt sich relativ schnell, denn so richtig traurig über den Pistenwechsel sind wir nicht. Anstelle der stinkigen und uns einnebelnden LKWs geniessen wir nun wieder die Stille der Anden mit ihren "gwundrigen", dennoch scheuen Lamas und den uns bereits bestens bekannten bolivianischen Pisten, welche wir trotz allen Widrigkeiten den verkehrsreichen schnellen Strassen vorziehen.

Auf unserem letzten Aussichtspunkt unserer Lagunenroute über 4000 M.ü.M sehen wir bereits den unter uns liegenden Salar Chiguana, dessen Überquerung morgen auf dem Programm steht.

Tag 9: "Oase" San Juan
(56 km, 0 Hm, 3700 M.ü.M)

Motiviert und in der Hoffnung heute San Juan zu erreichen, bietet sich uns eine weitere genussvolle Mountainbike-Abfahrt an bis hinunter zum Salar Chiguana.


Die Luft ist nun wieder dicker und wir kommen auf dem Salzsee ganz gut voran. Der Salar Chiguana kann jedoch nur als Vorstufe des Salar Uyuni bezeichnet werden, denn er ist weder so weiss noch so flach wie der Uyuni. Abschnitte mit Wellblech treffen wir auch hier an, sowie feuchte Stellen auf welchen man das Gefühl hat, die Pneus würden auf dem Salz kleben.

Die Strecke zieht sich unerwartet lange hin, trotz keinerlei Steigungen. Distanzen sind schwierig einzuschätzen, man hat das Gefühl, ewig dem Ziel entgegen zu radeln und dennoch nie anzukommen. Unsere Wahrnehmung spielt verrückt, zeitweise sehen wir überall in einiger Entfernung rund um uns herum Wasser. Spiegelungen der Hügel und des vorbeifahrenden Güterzuges scheinen dies zu bestätigen. Alle anderen Anhaltspunkte sprechen jedoch klar dagegen. Ein neues Erlebnis für uns.

San Juan müssen wir uns regelrecht erkämpfen, denn das letzte Stück wird nochmals so richtig übel mit Sand und Wellblech. Umso dankbarer sind wir für unser Zimmer im edelsten Hostal San Juans mit Glasdach über dem Innenhof und warmer Dusche. Eine Wohltat, sich all den Sand und Schweiss abzuduschen!

Eine Heizung ist in unserem Hostal keine vorhanden. So gibts für uns ein kühles Candellightdinner, wobei wir unseren Früchte- und Gemüsemangel mit Dosenfutter stillen, denn beides bekommt man in San Juan nicht frisch! Auch Käse, Fleisch und andere Lebensmittel, die gekühlt werden müssen, sind hier nicht zu finden.
Vom netten Hostalbesitzer, der genug Zeit hat mit uns zu plaudern da wir heute seine einzigen Gäste sind, erfahren wir interessante Hintergrundinformationen über San Juan. Es gibt hier pro Tag gerade mal 2 Stunden Strom zwischen 19 und 21 Uhr. Internet und Mobiltelefonie sind kein Thema und für die rund 1000 Einwohner gibt es nur ein Telefon, das sie mit der Aussenwelt verbindet.

Lichter löschen ist um 21 Uhr, dann gehts auch für uns ab in die warmen "Federn".

Tag 10: Kräfteraubender Kampf durch den Sand zum grossen Weissen
(55 km, 100 Hm, 3675 M.ü.M)

Eine weitere Sandpiste haben wir bis zur Auffahrt auf den Salar Uyuni zu bewältigen. Dank nur vereinzelten Autos haben wir die Freiheit diese Piste immer wieder mal von rechts nach links und umgekehrt nach einer fahrbaren Spur suchend zu überqueren.

Ein kühler Gegenwind, dauerndes Kämpfen, und langsames Vorankommen verhindern das Aufkommen grosser Motivation. Es ist heute einfach eine Strecke die wir hinter uns bringen müssen. Wir radeln unserem nächsten Highlight entgegen, dem Salar de Uyuni. Auf die grösste Salzwüste der Welt, welche knapp 12'000 km2 bedeckt, sind wir natürlich sehr gespannt und freuen uns darauf.
Endlich! Was wir schon von weitem gesehen haben, liegt nun vor uns: Die Zufahrt auf den Salar. Hier ist der Salar noch eher braun als weiss, doch schon bald entspricht er unseren Erwartungen und Vorstellungen. Ein Meer aus weiss! Zwar sehen wir momentan auf fast allen Seiten noch Land, dennoch ist es ein sehr spezielles Gefühl, mitten auf dem Salzsee zu radeln.

Kurz vor Sonnenuntergang stellen wir einige hundert Meter neben der Hauptpiste unser Zelt auf. Der Untergrund ist pickelhart und die Häringe lassen sich auch mit Beil nur 1-2cm tief einschlagen. Wir hoffen, dass sie auch bei allenfalls aufkommendem stärkerem Wind fest verankert bleiben. Wir geniesssen den Sonnenuntergang und schiessen noch einige Fotos.

Nachdem die letzten Jeeps den Uyuni verlassen haben, fühlen wir uns als würde der Salar uns alleine gehören. Auf Salz gebettet verbringen wir eine angenehme Nacht.

Tag 11: Rasen über den Salar de Uyuni
(100 km, 0 Hm, 3675 M.ü.M)

Bereits um 6 Uhr brausen die ersten Jeeps über den Salar. So bewegen wir uns aus unseren Penntüten und erfreuen uns erneut an einem mehrheitlich sonnigen Tag. Wow, welch ein Fahrgefühl! Mit bis zu 30 km/h rasen wir über den flachen Salar de Uyuni.
Das Festland hinter uns verschwindet immer weiter in der Ferne. Die Struktur des Salars neben der Fahrpiste ändert sich immer wieder mal von buckelig zu unregelmässigen 4-, 5- oder 6eckigem Wabenmuster. Wir kreuzen sozusagen keine anderen Fahrzeuge, geniessen und staunen einfach über diese weite, weisse, flache Wüste. Sie lädt uns ein, alle Erlebnisse unserer beinahe abgeschlossenen Lagunenroute gedanklich nochmals revue zu passieren.

Es rollt und rollt. Unser Kurs geht in Richtung Isla Inca Huari, einer kleinen Insel mitten im Uyuni, welche vor uns immer grösser wird. Knappe 40 km sind es dorthin, die wir in 2 Stunden zurücklegen. Die Insel ist übersät mit riesigen Kakteen. Hier gönnen wir uns einen feinen Burger als Abwechslung zu Pasta und Tomatensauce. Rund um die Insel und zu deren höchstem Punkt führt ein mit Liebe angelegter Weg, von wo aus wir Rundumsicht über den Salar geniessen.

Nachdem wir uns im extra für Veloreisende reservierte Gästebuch des ältesten Inselbewohners eingetragen haben, geht es weiter. Schliesslich sind es immer noch gut 60 km zu unserem Ziel, dem Salzhotel bei Colchani. Mit leichtem Rückenwind gehts rasant weiter über den Salar. Unterwegs gönnen wir uns einen Stopp und schiessen einige witzige Perspektivenfotos.


Im Eiltempo und in der Hoffnung, noch vor Sonnenuntergang im Hotel einzutreffen, zirkeln wir an vielen "Ojos" vorbei. Das sind metertiefe, runde kleine Löcher in der Salzkruste, welche nicht selten plötzlich vor einem auftauchen und im Voraus kaum erkennbar sind. Knapp vor dem Eindunkeln erreichen wir - stolz auf die geschafften 100km - das Salzhotel und sind gespannt, wie es drinnen aussieht.

Wir sind positiv überrascht und haben einmal mehr das Privileg, die einzigen Gäste zu sein. Wir bewundern die ausgestellten Tiere und Figuren aus Salz. Im Preis inbegriffen ist ein feines bolivianisches Nachtessen mit Suppe, Reis und Ei. Die Tische und Stühle sowie natürlich die Wände, alles ist aus Salz gebaut. Dusche und Heizung gibt es hier nicht. Dafür schlafen wir bei angenehmen 12 Grad in einem Zimmer mit Lamafell ausgestattetem Fussboden. Auch hier wird der Generator um 21 Uhr ausgeschaltet.

12. Tag: Holprige Ankunft in Uyuni
(35 km, 0 Hm, 3680 M.ü.M)

Nach dem kleinen in der Übernachtung inbegriffenen Frühstück verabschieden wir uns vom jungen Wirtepaar.

Die letzten 10 km Salar geniessen wir bei gemächlicherem Tempo. Leider versteckt sich die Sonne immer mehr hinter Wolken. Dies lässt den Salar nicht mehr in blendendem weiss, sondern eher dreckig-beige erscheinen. Zudem bleibt es relativ kühl. Ab Colchani sind wir wieder auf Festland und die Strassenqualität nimmt kontinuierlich ab. Die gut 20 km bis Uyuni gestalten sich wegen des vielen Wellblechs sehr mühsam und wir sind froh, als wir endlich im Zentrum eintreffen und ein Hostel mit (teilweise) funktionierender Heizung und sporadisch warmem Wasser finden.

Wir sind froh, haben wir es gewagt, diese anspruchsvolle Route mit dem Bike zu fahren. Wir hatten - Gott sei Dank - nahezu optimale Bedingungen für dieses Abenteuer, so dass die Ruta de la Joyas altoandinas (Strasse der hochandinen Schätze) ein schönes, intensives Erlebnis geworden ist. Genuss und Freude am Erfahrenen überwiegen bei weitem die auf uns genommenen Strapazen.

Nach kurzem Aufenthalt in Uyuni fahren wir nun per Bus bis nach La Paz. Schlechte Strassen haben vorerst genügend gesehen und es warten noch die Highlights Titicacasee und Machu Picchu auf uns.

Liebe Grüsse
Marlis & Matthias