Samstag, 10. April 2010

Mendoza: Lava aus nächster Nähe und erste Andenüberquerung per Bus

Das Wetter am Tag nach dem Auskurieren war leider nicht sehr vielversprechend und so entschieden wir uns, in den Termas los Pozones einen weiteren Ruhetag zu gönnen. Dazu mieteten wir einen Pick-up und freuten uns, für einmal den Schotter etwas besser gefedert zu spüren und ohne viel Rücksicht nehmen zu müssen über all die üblen Löcher rösten zu können. Und vielleicht sogar einige Radfahrer einzunebeln... (nein, das hätten wir natürlich nicht übers Herz gebracht und haben glücklicherweise auch keine getroffen, so mussten wir nicht mal der Versuchung widerstehen...). Wir genossen zuerst alleine und dann mit nur wenigen anderen Leuten die in wunderschöner Gegend liegenden natürlichen Heisswasserbecken. Leider bei etwas zu warmem, sonnigem Wetter. In 6 verschieden gestalteten Steinbecken mit unterschiedlichen Wassertemperaturen, gönnten wir unserem Körper eine Auszeit und liessen die Seele baumeln. Die Vulkanbesteigung hatten wir auf den kommenden Tag gebucht.

Bei dichten, tiefhängenden Nebelschwaden, reisst uns um 5 Uhr morgens das Klingeln des Weckers aus dem Schlaf. Wir versuchen die Besteigung des Vulkans Villarrica ein zweites Mal, heute wieder gesund, munter und ausgeruht. Wir profitieren von den Vorteilen der Nebensaison und dem stark zurückgegangenen Tourismus wegen der Erdbeben. So sind wir im Gegensatz zu anderen 20er Gruppen nur ein dreier (Biker)Grüppli. Nachdem wir in Pucon unser Material wie Steigeisen, Kappe, Handschuhe, Skijacke, Skihose, Bergschuhe, Helm, Pickel, Skistöcke und Gamaschen gefasst haben, geht es zuerst per Auto ein Stück hoch bis zu einem Skilift. Diesen ignorieren wir und wandern nun dem rauchenden Krater entgegen. Da unser Guide schnell merkt, dass wir nicht das erste mal im Schnee unterwegs sind, nehmen wir abseits der Massen eine eigene Route.

Wir geniessen herrliche Aussicht auf den Lago Villarrica und die umliegenden Bergketten, wie den weiteren Vulkanen Lanin, Llaima, Choshuenco usw. Mittlerweilen hat sich der Nebel aufgelöst und die Sonne brennt heiss.

Etwa vier Stunden sind wir unterwegs, über Schneefelder, durch schwarzes Vulkangestein bis auf über 2800 M.ü.M. Wir sind gespannt was uns oben erwarten wird, denn anscheinend hat man seit 5 Jahren keine Lava mehr gesehen, sondern sich mit dem Blick in den rauchenden Krater zufrieden geben müssen.

Wow, wir erreichen den Krater und wagen uns Schritt für Schritt näher an den Rand. Was wir dann zu sehen bekommen übertrifft unsere Vorstellungen und unsere Erwartungen um ein Vielfaches. Von weit unten hört man, dass sich etwas tut. Rauch steigt auf, mal grau, mal eher braun. Und dann das Unglaubliche: Der Vulkan spuckt während unserer Stunde am Krater etwa fünf mal rot leuchtende Lava nach oben. Unser Gefühl schwankt zwischen Respekt, Bewunderung, etwas Unbehagen, Faszination und natürlich unglaublichem Glück, denn damit hatten wir nicht gerechnet, nur gehofft. Unsere Kameras knipsbereit, stehen wir näher als wir es uns gedacht hatten am Geschehen und warten auf eine Wiederholung.

Sogar eine Nase voll vom aufsteigenden Rauch bleibt uns nicht erspart. Dies reicht uns jedoch einmal. Es riecht nämlich wie Entkalker (Durgol) und verschlägt einem regelrecht den Atem. Unser Verlangen nach mehr wird gestillt, nachdem unser Guide widerwillig unserem Drängen auf einen längeren Aufenthalt beim Krater nachgibt.

Beglückt und total zufrieden kann nun die rasante Abfahrt auf dem "Hosefüdli" beginnen. Welch ein Gaudi! Wir rutschen die vielen Schneerutschbahnen hinunter und es bleiben uns nur noch 25 Minuten die wir gehend hinter uns bringen müssen bis zum Bus, der schon auf uns wartet. Nass, etwas müde und einfach unendlich beschenkt, fahren wir zurück.

Dieser Tag liess uns dankbar sein, dass wir die Besteigung verschieben mussten. Die Angestellten der Agentur waren so begeistert von unseren Fotos, dass sie gleich einige auf ihren Computer kopierten. Nach fünf Jahren Lava-Inaktivität wird es natürlich schwierig, die Touristen noch von einem lohnenden Aufstieg zu überzeugen. Auch wenn nur schon der Auf- und Abstieg alleine einen Besuch wert sind, hat das Beobachten der heraufspritzenden Lava natürlich eine ganz andere Bedeutung.

Kurzum entschieden wir - wenn irgendwie möglich - noch am selben Abend den Bus nach Santiago zu nehmen. Gesagt, getan. Um 22.30 Uhr sassen wir, leider nicht nebeneinander, im Bus. Matthias hat es im Gegensatz zu Marlis gut getroffen mit dem Sitznachbar. Normalerweise freut man sich über einen Fensterplatz, doch mit einem fremden Mann an der Seite,  der - begründet durch seine Breite - deutlich mehr als einen Sitzplatz in Anspruch nimmt, wurde vor allem der nächtliche WC Gang zu einer Herausforderung. Zudem war er sehr unfreundlich und ich war dann froh als wir um 9 Uhr morgens nach rund 9,5 Stunden Fahrt endlich am Busbahnhof in Santiago ankamen.

Nach knapp 3 Stunden Wartezeit auf unseren Anschlussbus weiter nach Mendoza, welche wir mit dem Beobachten von all den spannenden Menschen verbrachten, wurde uns gesagt, dass es für unsere Fahrräder leider keinen Platz mehr gäbe und wir den nächsten Bus nehmen müssten. Klar ein wenig enttäuscht, dafür positiv überrascht über die grosse Hilfsbereitschaft der Angestelten, die uns unsere Tickets umtauschten, setzten wir uns nochmals auf die Bank. Beim zweiten Anlauf klappte es dann problemlos. Glücklich, nun nebeneinander sitzend die kommenden 7 Stunden zu verbringen, genossen wir die schroff und kahl aufragenden Felswände, welche in verschiedenen gelb, grün und rottönen leuchteten. Unsere erste Andenüberquerung mit unzähligen Serpentinen auf beinahe 3200 M.ü.M, die wir so gerne mit unseren Fahrrädern bezwungen hätten.

Das Gefühl, all diese Schönheit der Natur nur von hinter der Scheibe betrachten und geniessen zu können, plagte uns. Wie anders, wenn man nicht da stoppen kann wo man will, so viele geniale Fotoobjekte an einem vorbeiflitzen lassen muss (resp. nur unscharfe Fotos durch die dreckige Scheibe machen kann). Schlussendlich kamen aber wir und unsere Fahrräder wohlbehalten in Mendoza Argentinien an, wo wir eine Nacht in einem Hostal verbrachten und bereits wieder neue Tickets haben für heute Abend nach Salta. Das Verladen unserer Velos und des Gepäcks hier in Argentinien ist eine andere (kompliziertere) Geschichte und wird später erzählt...

Liebe Grüsse
Marlis & Matthias

5 Kommentare:

Choice hat gesagt…

Hoi zämä

Ich finds immer wieder genial was für Traumhafti Fotis und was für Hammer Bricht mir dörfet über eu lässä. Mehr isch fascht Live däbi, bis uf s'Velölä! Wünsch eu witerhin ä geniali und spannendi Reis.

Gruss Choice

Alois-Erwin Kälin hat gesagt…

Ein freundliches Hallo aus Urnäsch!

(Das Föteli mit dem warmen Bad weckt Erinnerungen. Schön dargestellt!)

Wieder ein interessanter Bericht und eindrückliche Beschreibungen - von stockendem Atem bis glückseliger Dankbarkeit. Ohne Wagnis, Hoffnung und Überwindung kein Glück.

Der Vulkankrater ist steil und tief, das fand ich noch nie so deutlich dargestellt. Und der "Drache" hat dann auch noch Feuer gespien - ohne Vor-Warnung. So ging das noch einmal gut ab und gestaltete sich zu einem unvergesslichen Höhepunkt, obwohl die Unberechenbarkeit vielleicht eingeprägt bleibt.

Ein Fensterplatz für die Ersten im Bus öffnet freiere Aussicht - aber man hat dann keine Kontrolle mehr, wenn es enger wird und sich jemand zu einem setzt, der nicht mehr ganz dazu passt. Der Druck kann unangenehm sein auf so langer Reise. So habt ihr dann ja den richtigen Schluss daraus gezogen ...

Weiterhin viel Glück und Lernfreude, sowie wachsende Dankbarkeit und Liebe!

Alois-Erwin

Gabriel hat gesagt…

Salut

Das glaube ich euch gern, dass euch der Vulkanrauch einmal genügt, kann ich mir vorstellen. Als ich einmal auf dem berühmten, aber nun seit langem toten japanischen Hausvulkan Fujiyama (3700m) stand, war ich hingegen froh, dass ich keine Lava zu Gesicht bekam, hehe. Leider war unser Abstieg durch den Lava-Schotter aber wahrscheinlich auch einiges weniger lustig als eure Schneeabfahrt.

Viel Spass in den neuen An(den)höhen und beim Busfahren, sozusagen unter den "normalen" Leuten! ;)

Gabriel

Peter hat gesagt…

Hola y buenas noches ustedes dos aventureros

Die neuesten Fotos vom Kraterrand und auch aus der Ferne sind bombastisch und wecken Erinnerungen an meinen Besuch auf der Karibikinsel Montserrat, wo ein Ausbruch des dortigen Vulkan Soufriere Hills vor 15 Jahren die gesamte damalige Hauptstadt Plymouth unter Lava und Asche begrub...
Als ich das rauchende Ungetuem aus sicherer Distanz mit meinem Fernglas beobachtete (aus Sicherheitsgruenden hatten die Behoerden eine Sperrzone eingerichet...), wurde ich urploetzlich mit einem "Ascheregen" bedacht, ein Erlebnis, das mir bis heute unter die Haut geht.

Viele eindrueckliche Erlebnisse und Begegnungen und weiterhin "kraeftige Muskulatur" beim Radeln wuenschen Euch aus dem chaotischen Santo Domingo (abwechselnd im "Wasser- oder Stromnotstand"

Maylee, Margarita und Peter

Marlis & Matthias hat gesagt…

@Choice: Danke vielmals! Nach dem Lesen deines Kommentars mussten wir einfach ein Auto mieten: Warum auf übelsten Strassen "velölä", wenn's im Blog nicht rüber kommt? ;-)

@Alois-Erwin, Gabriel und Peter: Uns wird erst allmählich bewusst, was wir auf diesem Vulkan erleben durften. Der Aufstieg zum Krater ist für Touristen in dieser Region fast ein "muss" und daher zwar spektakulär, trotzdem aber auch "normal". Wir hatten jedenfalls bei der Lava nie Angst, der Vulkan könnte bösartig werden. Wir freuten uns vielmehr ab dem Glück, die Macht der Erde - einmal mehr - so hautnah erleben zu dürfen. Wenn wir vom Ausbruch in Island lesen, so denken wir schon auch daran, was hätte sein können, wenn der Vulkan spontan vor uns ausgebrochen wäre...