Mittwoch, 26. Mai 2010

La Paz: Stahlesel-Mountainbiking und ein paar Tage (Zwangs)Pause

Den Aufenthalt in Uyuni gestalteten wir kurz. Einerseits entsprach das Hostel nicht unseren Ansprüchen (es war kühl, die Heizung funktionierte nur teilweise und warm Duschen konnten wir nur am ersten Tag). Andererseits hat Uyuni touristisch ausser dem Salar nur noch einen Eisenbahnfriedhof zu bieten. Trotz Kälte und starkem Wind liessen wir uns diesen speziellen Ort nicht entgehen. Uralte, verrostete und mehr oder weniger verfallende Wagen und Loks stehen hier rum. Ein faszinierender Platz!

Zudem ist Uyuni ein ziemlich hässliches Wüstenkaff, das ohne die beiden Attraktionen kaum einen Touristen interessieren würde. Am schlimmsten ist es gleich ausserhalb der Stadt: Überall liegen oder fliegen Plastiksäcke und sonstiger vom Wind verwehter Abfall herum. So hässlich hatten wir es bisher nicht einmal annähernd getroffen!

Die nächtliche, 10stündige Busfahrt nach La Paz war anfangs extrem holperig und wir irgendwie erleichtert, dieses Wellblech nicht mit unseren Fahrrädern abholpern zu müssen. Trotzdem, die Räder litten und beide brachen sich dieselbe Schutzblechhalterung :-(
Wir litten etwas weniger: Mit einem Paar kalter Füsse und etwas wenig Schlaf kamen wir in La Paz an.

La Paz (1,5 Mio. Ew., Regierungssitz und dennoch nicht Hauptstadt Boliviens) ist - entgegen Matthias' Befürchtungen - eine geniale, einzigartig gebaute Stadt, die wir sofort ins Herz geschlossen haben. Sie liegt in einem steilen Flusstal und die Häuser klettern auf beiden Seiten die Hänge hoch. Dementsprechend steil sind auch all die Wege, welche von der Hauptstrasse rechts oder links abbiegen. Der tiefste Punkt ist auf 3000, der höchste auf 4200 M.ü.M. La Paz ist eine sehr geschäftige und lebendige Stadt.


Wir haben ein gemütliches Hostel im Zentrum gefunden. Von unserem Zimmer aus haben wir wunderbare Aussicht auf die Strasse, wo es so manch spannende Szene zu beobachten gibt. Eine farbenfrohe, musizierende Hochzeitsgesellschaft, ein Trauerzug, ein Polizist der einen Beifahrer bei den Ohren nimmt oder einfach die sich gegenseitig zu übertönen versuchenden Taxibeifahrer, welche ihre Destination und Preis raus schreien. Auf den Strassen wimmelt es nur so von verschiedenen Taxis, Privatautos kann man an einer Hand abzählen.
Hier in der Stadt gibt es sogar freilaufende Zebras und Esel - jedoch eine uns bisher unbekannte Gattung von Zweibeinern. Sie machen ihren Job echt super. Die Zebras helfen einem lebendig die Strasse zu überqueren, die Esel schelten Ungehorsame... Wir sind mittendrin in einer für uns ganz neuen und durchaus sympathischen Kultur.

In der Umgebung unseres Hostels gibt es anstelle von Super- oder Minimercados unzählige Marktstände. So müssen wir jeweils unsere Einkäufe an den unterschiedlichsten Ständen zusammensuchen. Anfangs ist dies etwas mühsam, doch mit der Zeit haben wir daran sogar gefallen gefunden. Indigene Frauen (Cholitas) und Männer bieten ihre Waren feil. Ab und zu erwischt man den einen oder anderen Standbetreuer bei einem Nickerchen, was durchaus verständlich ist. Wunderbar gestapelte Früchte warten nur darauf, als feinen Jugo (Saft) verkauft werden zu können. Riesige Körbe mit fein duftendem Brot, überdimensionale Teigwaren wie wir sie noch nie gesehen haben und zig kleine Kioske mit Süssigkeiten säumen die Strasse. Meist sind dieselben Artikel in einer Gasse zu finden, was es erleichtert, das zu finden das man braucht (wenn man die entsprechende Gasse gefunden hat).
Vermummte Schuhputzer bieten am Boden sitzend ihre Dienste an, der Glaceverkäufer kurvt mit seinem Handwagen durch die Gassen und in den Bratpfannen jedes dritten Standes brutzeln im schwimmenden Fett Hamburger und Zwiebeln. Das Essen hier ist sehr fettig. Zudem scheinen Pollos (Poulets) und Pommes Frites sehr im Trend zu sein und es ist schwierig, etwas gesundes zu finden. Die Restaurants sind zu einem Grossteil im Stil von Mc Donalds.

Auf dem Mercado de Hechiceria (Hexenmarkt) findet man getrocknete Lamaföten, teilweise sogar auch mit Fell. Diverse Kräuter, Heilmittel und mystische Figuren irgendwelcher Inkagötter zieren hier die Marktstände.
Das traditionelle Handwerk scheinen aber die farbenfrohen gewobenen oder gestrickten Kleider und Decken zu sein.

Nach einem ersten Ruhetag gönnten wir uns mit einem Tagesausflug eine 3400 Meter Abfahrt per "Mountainbike" auf dem "Camino de la Muerte". Da wir ja ein eigenes Velo hatten, verzichteten wir auf den Luxus eines gemieteten Mountainbikes. Oh Schmerz! Wir hatten bisher übelste Schotterpisten mit unseren Stahleseln gemeistert und nie Probleme damit. Doch das schnelle Fahren in einer Gruppe von Mountainbikern hatten wir unterschätzt. Nach gut zwei Stunden schottrigem Downhill schmerzten uns die Arme dermassen, dass wir froh waren, am Ziel das Velo wieder zu verladen und die Arme erholen zu lassen. Ansonsten genossen wir - nach über einem Monat andiner Landschaften - für einen Tag den Wechsel in den tropischen Regenwald.

Zurück in La Paz freuten wir uns auf einen weiteren Ruhetag, an dem wir uns auf die nächste Etappe zum Titicacasee vorbeiten wollten. Doch aus diesem einen Ruhetag wurden noch ein paar weitere. Grosse Müdigkeit und ein tendenziell erhöhter Ruhepuls von Marlis hielten uns davon ab, sofort weiter zu fahren. Diverse Abklärungen brachten uns nicht weiter. Erst ein Besuch beim Vertrauensarzt eines Hostelangestellten gab uns Erleichterung, so dass wir uns nun wieder auf unsere Sättel schwingen und Richtung Titicacasee fahren.

Liebe Grüsse
Marlis & Matthias

4 Kommentare:

Karin hat gesagt…

Liebi Marlies, Liäba Matthias

Sit i vu miner Reis in Down Under wieder retour cho bin verfolg i mit höchstem Interessa euera Blog. I find eueri Tour eifach der Wahnsinn! DFöteli sind traumhaft schö, so dass mi scho fast wieder sFernweh bloget. Südamerika isch eifach mega. Gern erinnera i mi an mini Reis retour und hoffa schwär, dass i nomol es par Örtli dörf bsuecha.

I wünsch eu alles Gueti, Gsundheit, Kraft und vieli unvergesslichi Augablick.

God bless you!

Karin Schlegel

Brooklyn hat gesagt…

Hey ihr wilden!

Obwohl ich nun zwei Wochen lang Psychopathologie, Neurologie und semantisch/lexikalische und morpho/syntakitische Störungen lernen sollte, lese ich euern Blog. Wie war das nochmal: "Eigentlich sollte ich lernen - OH eine spannende Geschichte...!" ;)
Und spannend ist sie wirklich, eure Geschichte!
Habt ihr euch schon eimal überlegt, wie es weiter geht, wenn ihr wieder hier seid? Ihr müsst verlangweilen! Keine kalten Nächte, keine Schlafsäcke, keine stinkenden Dämpfe (lach), keine Salzseen und gerade mal 500 m.ü.M? Und glaubt mir, hier ist es nicht gerade gemütlich. In der Nacht sind es wohl nicht mehr viel über Null, momentan hats etwa 8°. Meine Heizung läuft.

Zum Material: Scheibenbremsbeläge sind bekannt dafür, schneller abgenutzt zu sein. Hat euch das der Verkäufer nicht gesagt? Vor allem wenn man bei nassen Konditionen fährt, sind die weg im Nu! Ansonsten scheint es sich ja gut zu halten mit Defekten... Echt erstaunlich für mich. Für euch?

Und was mir brennend auf der Zunge liegt: Euch gehts immer blendend? Ist das Blenderei, oder bin ich einfach zu Skandalgeil? Es tönt, als wären da nie Meinungsverschiedenheiten... Ich glaubs zwar nicht, aber wenns so wäre: Cool! :) Auch wenn ich nicht verlange, dass ihr hier alles auspackt, eins will sicher nicht nur ich wissen:
Was ist denn nun als erstes aus dem Gepäck geflogen?!
Fiu: Ist dein Hocker noch an Bord? Und du benutzt ihn auch?!
Guaps: Wie siehts mit den kopierten Papieren aus? Konntest du sie gebrauchen oder habt ihr sie zum Schuhe stopfen gebraucht? Was ist bei dir rausgeflogen?

Freue mich auf die letzten Berichte... MannMann, schon bald seid ihr am Ende eurer Tour... :(

Anonym hat gesagt…

Liebe Strampler
Ich hatte einige Blogeinträge nachzuholen, habe aber diese mit grösstem Interesse gelesen. Hexenmarkt errinnert mich gerade an den Voodoomarkt in Lomé.

freue mich auf weitere Berichte!

Keitsch

ps: future, steht Dir gut die Gesichtsbehaarung, ich hoffe, wir sehen Dich einmal live damit!

Marlis & Matthias hat gesagt…

@Karin: Danke! Ja, Südamerika ist in der Tat mega! Wir sehen nur einen kleinen Teil dieses faszinierenden Kontinents und es gibt genügend Gründe, hier zu einem späteren Zeitpunkt weitere Etappen anzuhängen...

@Brook: Wie es weiter geht? Na ja, erstens freuen wir uns wieder auf ein zu Hause und zweitens haben wir noch etliche andere Projekte, die es zu planen gilt.
Und: Ja, es geht uns meistens blendend und du wärst sicher nicht der einzige "Skandalgeile" unter der Leserschaft. Wir berichten jedoch lieber von den gemeinsam durchgestandenen Skandälchen (resp. Abenteuer) ;-)
Und: Aus dem Gepäck ist schon diverses geflogen: externer Blitz (wir machen nur Fots wenn die Sonne scheint), Minigrill (entweder zu kalt, hat kein Holz oder wir nichts zum grillen dabei) sowie ein paar weitere Kleinigkeiten. Der Hocker ist immer noch an Board und hat schon einige neidige Blicke auf sich gezogen. Die Papiere haben wir pflichtbewusst nochmals durchgeschaut und schrittweise vernichtet.
Zudem tragen wir immer noch ein Stativ mit, weil es einfach in kein Paket passte...
Und: Weiter gehender Gwunder stillen wir gerne auch unter 6 resp. 8 Augen :-)

@Keitsch: Danke :-) Ich vermute fast, dass ich vor dem die Reise anschliessenden Polterabend kaum Zeit habe, ein Rasiermesser anzusetzen - vielleicht aber, bevor ich wieder im Büro auftauche...