Montag, 22. Februar 2010

Chile Chico: Steiles Auf und Ab in die Sackgasse...

Der im letzten Blogartikel befürchtete Regen blieb bisher grösstenteils aus. Einzig im bislang ersten durchfahrenen Regenwald war es wirklich nass. Ansonsten sind wir jetzt endlich im Sommer angekommen.

Matthias hat sich sogar den obligaten Sommersonnenbrand eingefangen (warum auch Sonnencreme einstreichen, wenn es am Morgen nach einem Regentag ausschaut?). Bei bis zu 30 Grad stradeln wir die unterschiedlichsten Hügel hoch: Manchmal pampaähnlich, manchmal gebirgig, manchmal im Wald, manchmal einem Fluss oder See entlang. Es ist spannend auf der Carretera Austral: Hinter jeder Kurve, hinter jedem Hügel erwartet uns neues, überraschendes.
 

 

Sonnenschein sei Dank entschieden wir uns, das von allen immer wieder erwähnte Caleta Tortel aufzusuchen. Für uns bedeutete dies eine Tagesetappe von 44 km in eine "Sackgasse". Caleta Tortel ist ein modernes Pfahlbauerdörfchen: Häuser und Wege sind auf Holzpfählen an einem sumpfigen Felsabhang gebaut. Das Dorf kann daher nur zu Fuss erkundet werden.

Über die Gründe, warum das Dorf gegründet wurde und in solchem Gelände gebaut werden musste, haben wir uns nicht informiert. Wir staunten etwas, dass wirklich Leute dort zu leben scheinen (und das auch die neun Monate ausserhalb der Touristensaison). Es war ein interessanter Abstecher in ein einzigartiges Dorf, den wir nicht bereuen.

Nachdem wir seit Villa O'Higgins vier Nächte wild campierten, freuten wir uns auf die fünfte Nacht im nächsten grösseren Städtchen Cochrane (3000 Einwohner). Dort war wieder einmal etwas Ausspannen und Kleider waschen geplant. Nachdem wir unsere erste Enttäuschung über den nicht ganz unseren Wünschen und Bedürfnissen entsprechenden Standards der Unterkünfte überwunden hatten, entschieden wir uns für ein günstiges Hostel. Wir waren froh, gleich im Haus unsere stinkig-feuchten Kleider waschen lassen zu können. Damals ahnten wir noch nicht, dass uns dieser Service den Schlaf rauben würde. Wie hier üblich, wurden unsere Sachen draussen über dem Holzzaun aufgehängt und über Nacht draussen gelassen. Weil Marlis' Rücken von der miserablen Matratze und den fehlenden Lättchen schmerzte, war sie hellwach, als es zu regnen begann. Pflichtbewusst wie eine gute Hausfrau ging sie mitten in der Nacht nach draussen und holte die Wäsche rein, welche vom Wind teilweise bereits auf den Boden geweht wurde. Vor dem Zusammenlegen musste jedoch beinahe aus jedem Ärmel und Hosenbein mindestens ein "Ohremüggler" heraus geschüttelt werden (welche auf dem bereits vorher schmutzigen Teppich ihren bitteren, zertrampten Tod fanden)... Müde und unerholt freuten wir uns darauf, Cochrane bald wieder verlassen zu können und hofften, bald ein gemütlicheres Plätzchen zu finden.

Um den Weg interessanter zu gestalten hatten wir uns für den Weg über Chile Chico mit der Fährüberfahrt nach Puerto Ingeniero Ibanez entschieden. Als Entscheidhilfe dienten die Angaben anderer Toureros: Geniale Aussicht und abwechslungsreiche Strecke, aber auch streng weil über 100 km steiles Auf und Ab und zum Teil extrem schlechte Strasse. Wir nahmen die Herausforderung mit gemischten Gefühlen an. 


Die Strecke war so atemberaubend, dass die Mühen der knapp 2500 Schotterhöhenmeter beinahe in den Hintergrund gerieten.


Während zwei wunderschönen, sonnigen, windfreundlichen, warmen Tagen folgten wir mehr oder weniger der Küste des Lago General Carrera mit ihrem Ausblick auf die angrenzenden Gletscherberge des Campo de Hielo Norte und die gegenüberliegende Bergkette.

Auf dieser Strecke fanden wir das bis anhin beste Übernachtungsplätzchen. Zwar direkt an der Strasse, dafür jedoch mit Sicht auf See, Berge und Sonnenuntergang!

Nun sind wir in Chile Chico und wollen die Fähre nach Puerto Ingeniero Ibanez nehmen. Im Büro wurde uns mitgeteilt, dass erst am Donnerstag, also in vier Tagen, wieder buchbare Plätze verfügbar seien. Chilenische Reisende informierten uns, dass wir es aber auch spontan versuchen könnten, da immer wieder zusätzliche Passagiere zugelassen wurden. Deshalb begaben wir uns also pünktlich zur Fähre, wo wir - mit ca. 15 weiteren hoffenden Reisenden - nach eineinhalb Stunden warten enttäuscht wurden. Na ja, morgen um 06:30 fährt ja wieder eine Fähre, vielleicht starten wir nochmals einen Versuch im Glauben, dass sonst nicht mehr so viele Leute bei diesem hohen Enttäuschungsrisiko auf die Mitfahrgelegenheit warten würden. Es ist einfach etwas früh, wenn man sich in den Flitterferien bereits um 5 Uhr aus dem Schlafsack kämpfen muss, ohne zu wissen, ob es sich überhaupt lohnen würde.
 
Alternativ bietet sich die Rückfahrt auf derselben Strecke an, welche wir aber versuchen werden, per Pick-up zurück zu legen. Einen Grenzübertritt und den Umweg über Perito Moreno, Argentinien, möchten wir - nur schon der Grenzformalitäten wegen - vermeiden.

So hoffen wir nun - glücklicherweise bei schönem Wetter - auf einen erfolgreichen zweiten Versuch, per Fähre nach Puerto Ingeniero Ibanez zu gelangen oder erfolgreiches "stöpplen". Anschliessend folgen ein paar Tage radeln, bis wir aus Coihaique vom Weg aus unserer Sackgasse berichten können...

Beste Grüsse aus Chile Chico, der warmen Oase Patagoniens
Marlis & Matthias

8 Kommentare:

chnuspi on tour around the world hat gesagt…

Hallo ihr beiden, schade diesmal (noch) ohne Fotos, aber sehr spannend, wenn auch für uns Leser die Mühsamkeiten wie Regen und Ungetiere natürlich fürs uns Peanuts sind. Ich hoffe es klappt mit der Fähre. Oder dem Transport für euch.
Gruss Thomas

Severin & Ramona hat gesagt…

Liebe Guapa, Menschen sind sehr schlecht, wenn es darum geht, aus Vergangenem zu lernen. Denn schon in China (2006) hatte Future leuchten rote Extremitäten :-)

Lieber Future, Liebe Guapa
Cool, dass die letzten Kilometer so schön waren. Wir haben nun auch mal was für euch: Wir laden euch herzlich zu unserer Hochzeit und dem anschliessenden Fest in Hundwil ein. Bis dahin alles wichtige auf: www.ramona-severin.ch (die echte Karte gibt's dann am Flughafen...)

Liebe Grüsse und gut Radel
Severin und Ramona

Ueli + Heidi hat gesagt…

Hallo ihr ZWEI
Da ging ja wieder richtig die Post ab! Mit Spannung warten wir auf die nächsten Fotos und eure weiteren interessanten Reiseberichte.
Weiterhin gute (Velo-)Fahrt!
Liebe Grüsse Ueli+Heidi

Anonym hat gesagt…

Hoi ihr zwei, vielen Dank für Eure Postkarte aus dem Parque Nacional Los Glaciares! Da kommt manchmal schon ein wenig Fernweh auf...
Geniesst die Zeit und Eure Abenteuer in vollen Zügen!
viele Grüsse: Keitsch

Gabriel hat gesagt…

hoi zäme,

danke für die immer wieder sehr lebhaft geschilderten Erlebnisse, um die euch jeder beneidet, obwohl wir bei vielen davon froh sind, wenn wir sie nicht erleben müssen! ;)

Aber ich seh's positiv: An Herausforderungen wächst man. Und ihr seid ja sicher auch schon über euch hinausgewachsen.

Weiter so! Ich freue mich auf weitere Berichte.

Gabriel

Anonym hat gesagt…

Hallo ihr zwei..ich bins der Timo ;-)

Ich habe mich immer mal wieder auf der Seite hier umgeschaut und bin immer wieder fasziniert von den vielen Eindrücken.

Ich wünsche euch noch ganz viel Spass auf der langen Reise und geniesst jeden Tag dort.

Viele liebe Grüsse aus "noch" Bern
Timo

P.S. Wenn ihr wiederkommt, bin ich schon nicht mehr da. Werde nächsten Monat in die Nähe von Winterthur zügeln...aber das ja eure zweite Heimat ;-)

Marlis & Matthias hat gesagt…

@Thomas: Danke! Und wie es geklappt hat. In sozusagen letzter Sekunde durften wir noch aufspringen!
@Severin: Danke für die Hochzeitseinladung, wir freuen uns auf eure Hochzeit! Wünschen gute Vorbereitungen!!!
@Ueli&Heidi: Genau, da ging die Post ab. Ein Päckchen überflüssiger Reiseutensilien ist unterwegs zu euch ;-)
@Gabriel: In unseren Vorstellungen vor der Reise verstanden wir unter "Abenteuer" etwas romantisches, schönes... Na ja, im Nachhinein betrachtet reut uns keines unserer Erlebnisse.
@Timo: Danke für deinen Kommentar. Die Schweiz ist zwar klein. Aber nicht so klein, als dass wir Winterthur als unsere Heimat bezeichnen würden ;-)

Matthias hat gesagt…

@Severin: War ich in China?